Seit Mai 2013 läuft vor dem Oberlandesgericht München der sog. „NSU-Prozess“ gegen fünf Angeklagte aus der rechtsextremen Szene. Verhandelt wird eine rassistische, brutale Mordserie mit insgesamt zehn getöteten Menschen. Offene Fragen gibt es, fünf Jahre nach Beginn des Strafverfahrens, weiterhin erschreckend viele, insbesondere was Wissen, (In-)aktivität, Informationspolitik sowie den institutionellen Rassismus staatlicher Institutionen wie dem Bundesamt/den Landesämtern für Verfassungsschutz anbelangt. Ein Beispiel der filmischen Aufarbeitung einer wahrscheinlichen Falschdarstellung von Seiten des hessischen Verfassungsschutzes haben wir an dieser Stelle vorgestellt.
Seit dem ersten Verhandlungstag sind Mitarbeitende der Initiative NSU watch im Gerichtssaal vor Ort und protokollieren das Prozessgeschehen. Die Mitschriften können, in deutscher und türkischer Sprache, auf ihrer Webseite kostenfrei als e-Book oder einzeln heruntergeladen werden. Die Initiative ist ein Zusammenschluss aus rund einem Dutzend antifaschistischer und antirassistischer Gruppen und Einzelpersonen aus ganz Deutschland, ihre Arbeit finanziert sich aus Spenden.
Neben den Protokolle, welche die Grundlage für viele andere, kritische Auseinandersetzungen mit dem Prozess bieten (ein Beispiel zur Frage nach der Mikrofonierung des Prozesses haben wir hier vorgestellt), schreibt und veröffentlicht NSU watch Hintergrundanalysen und Recherchen zu den Oberthemen NSU & Netzwerke, Rassismus, Recht Szene, Rechtsterrorismus, Behörden, Medien und Material und unterstützt die Nebeklage.
Unter dem Titel „Aufklären & Einmischen“ wird zudem ein Podcast produziert, über dessen Ansatz die Macher*innen schreiben:
„Der NSU-Komplex ist für uns mehr als nur ein Neonazi-Trio. Wir gehen dem Neonazi-Netzwerk, dem gesamtgesellschaftlichen Rassismus und dem Zutun der staatlichen Behörden nach, ohne die der NSU nicht denkbar gewesen wäre.(…) Alle zwei Wochen unterhalten wir uns über aktuelle Entwicklungen im NSU-Komplex aber auch aktuelle Entwicklungen des rechten Terrors und des gesellschaftlichen Rechtsrucks.“
„Im Namen der Aufklärung, im Namen der Gerechtigkeit, im Namen der Opfer und ihrer Angehörigen“, klagt hingegen das NSU-Tribunal an, zu welchem hier einen Beitrag verfasst haben. Diese Anklage „steht im bewussten Widerspruch zur strafrechtlichen Anklage der Bundesanwaltschaft, die den NSU als das Werk einiger Weniger verharmlost.“